Wednesday 17 December 2014

Cornelia Funke - Tintenherz

(c) http://de.tintenherz.wikia.com/wiki/Benutzer:Butscheese

Ich hab' wirklich lang gebraucht um mich zu entscheiden in welcher Sprache ich diesen Eintrag verfassen würde, aber mich schlussendlich dann doch auf Deutsch festgelegt. Das Buch ist in der Originalsprache auf Deutsch erschienen, ich hab's auf Deutsch gelesen, die nachfolgenden Zitate sind alle auf Deutsch - wär' irgednwie komisch gewesen, jetzt nicht auch das Review auf Deutsch zu scheiben. Außerdem, wer sagt eigentlich, dass man die Sprachen auf seinem eigenen Blog nicht auch einmal mischen darf?

Aber genug der Vorrede! Heute geht's wie gesagt um Tintenherz, ein echt fabelhaftes Jugendbuch, das ich vor einigen Wochen fertig gelesen hab' - in weniger als einer Woche wohlgemerkt, trotz der über 500 Seiten und all der Dinge, die so angefallen sind (Beerdigung, Seminararbeiten, Präsentationen, ihr kennt die Leier ...). Bevor's mit dem Review losgeht, hier aber wie immer eine kurze Zusammenfassung:

Die zwölfjährige Meggie lebt bei ihrem Vater Mortimer, genannt Mo, der von Beruf Buchbinder ist. Beide verbindet eine Leidenschaft, nämlich das Lesen. In ihrem Haus stapeln sich die Bücher nur so richtig: auf dem Frühstückstisch, auf den Gängen, neben dem Klo ... keiner der beiden ist je ohne ein Buch. Doch auch wenn sie beide das Lesen lieben, so betrifft dies nur das stille Lesen: Meggies Vater weigert sich partout seiner Tochter laut vorzulesen, und dies hat einen sehr guten Grund. Mo hat nämlich eine besondere Gabe: er kann die Charaktere in den Geschichten buchstäblich ins echte Leben lesen, jedoch nur im Austausch für eine Person aus der realen Welt. Für jeden Charakter der in unsere Welt wechselt, muss ein Lebewesen in die Welt der Bücher übergehen ... und dies hat manchmal folgenschwere Konsequenzen ...

(c) http://de.tintenherz.wikia.com/wiki/Benutzer:Butscheese

Gut, und damit auf zum Review!

1.  Die Vater-Tochter Beziehung

Ich muss wirklich sagen, das Schönste an dem Buch war für mich eindeutig die Vater-Tochter Beziehung. Ohne sie wäre der Roman in meiner Bewertung um einiges schlechter ausgestiegen. Das Band, das Meggie und Mo verbindet ist einfach unbeschreiblich rührend: man spürt so richtig, wie die beiden aneinander hängen.

Für mich war es einfach erfrischend eine funktionierende Eltern-Kind Beziehung in einem Buch aufzufinden. Der Trend ist ja vor allem in der Kinder- und Jugendliteratur, dass die Eltern entweder schon lange tot sind, oder aber ein gestörtes Verhältnis zu ihren Sprösslingen haben. Da war es wirklich nett einmal eine positive Familiendynamik vorgestellt zu bekommen - und vor allem auch eine Handlung zu verfolgen, in der sowohl Kind als auch Elternteil zur Auflösung am Ende des Buches einen Beitrag leisten. 

Aber um euch ein Beispiel von diesen wirklich lieben Momenten zu bringen ...
"Müde streckte [Meggie] sich auf dem piksenden Stroh aus.
Mo zog sich den Pullover über den Kopf und deckte sie damit zu. 'Eine Decke brauchst du natürlich trotzdem', sagte er. [...]
'Aber du wirst frieren.'
'Unsinn.'" (Funke 2003, p. 165)
Gut, vielleicht bin ich hier etwas beeinflusst von meinen eigenen Erinnerungen an Momente, in denen mein Vater dasselbe für mich getan hat, aber das ändert nichts daran, dass ich's enorm lieb find'. 

2. Die Bildgewaltigkeit der Sprache

Manche Autoren schaffen es ihre Leser mit den ewig langen Beschreibungen einzuschläfern ... andere hingegen haben ein Talent dafür, die triffigsten und bildgewaltigsten Formulierungen zu finden, sodass man als Leser wirklich an jedem Wort hängt. Das ist in Tintenherz vor allem bei den Beschreibungen von Büchern und dem Lesen der Fall:
"[Mo] hob die Mappe auf den Tisch, in der er seine Vorsatzpapiere aufbewahrte, und blätterte abwesend darin herum. 'Jedes Buch sollte mit so einem Papier beginnen', hatte er mal zu Meggie gesagt. 'Am besten mit einem dunklen: dunkelrot, dunkelblau, je nachdem, wie der Einband des Buches ist. Wenn du dann das Buch aufschlägst, ist es wie im Theater: Erst ist da der Vorhang. Du ziehst ihn zur Seite, und die Vorstellung beginnt.'" (Funke 2003, p. 67)
Natürlich sind Geschmäcker bekanntlich verschieden, aber ich mag Vergleiche wie in dem Zitat wirklich sehr - mir kommt das einfach wirklich treffend vor, der Vergleich von Lesen mit dem Theater, und ich kann mir darunter auch wirklich etwas vorstellen.

Wirklich treffend werden darüber hinaus auch Gefühle, wie etwa Angst, beschrieben, wie im nächsten Zitat hervorgeht. Meggie ist gerade eben von dem Bösewicht der Geschichte gefangen genommen worden, und versucht sich Mut einzureden, obwohl sie erstarrt vor Angst ist:
"Was für ein Feigling sie doch war! Sie versuchte sich Mut an irgendeinen Helden zu erinnern, dessen Haut sie überstreifen konnte, um sich stärker, größer, furchtloser zu fühlen. Warum fielen ihr nur Geschichten über die Angst ein, während Capricorn sie musterte? Es fiel ihr doch sonst so leicht, an andere Orte zu verschwinden, in Tiere und Menschen zu schlüpfen, die es nur auf dem Papier gab, warum nicht jetzt? Weil sie Angst hatte. 'Weil die Angst alles tötet', hatte Mo irgendwann mal zu ihr gesagt, 'den Verstand, das Herz und die Phantasie sowieso.'" (Funke 2003, p. 140)
Ich finde, dass vor allem der letzte Satz eine wirklich schöne Beschreibung davon ist, was passiert, wenn man sich fürchtet. Und außerdem empfinde ich es als wirklich erfrischend, dass die Heldin der Geschichte nicht, wie üblich in Romanen, von irgendwoher auf einmal Mut schöpft und sich dem Bösewicht entgegenstellt. Ich glaube die Angst wird in solchen Abenteuergeschichten immer viel zu unreichend thematisiert, und ich denke, dass gerade die Werke, die sich auch mit Gefühlen der Unsicherheit auseinandersetzen besonders gut sind.

3. Die Intertextualität

Den Bezug den die Autorin auf andere Bücher der Kinder- und Jugendliteratur finde ich auch wirklich nett und interessant. Sie tut dies auf mehr oder weniger drei Arten:

1) durch Zitate am Kapitelanfang, die den Inhalt schon ein wenig vordeuten.
2) durch Mo und Meggies Unterhaltungen über ihre Lieblingsbücher.
3) durch Personen aus Büchern, die von Mo in die reale Welt gelesen werden (welche das sind verrate ich hier allerdings natürlich nicht!).

Vor allem die Zitate am Kapitelanfang fand ich sehr nett, weil sie mich auf eine Reihe von Büchern aufmerksam gemacht haben, die ich jetzt auch lesen will ... etwa wie The Princess Bride oder Das Fliegende Klassenzimmer.

Mo und Meggies Unterhaltungen waren auch spannend - vor allem, weil nicht immer eindeutig gesagt wird, über welches Buch sie sprechen, und man dadurch ein wenig raten darf. (Und sich natürlich dann freut, wenn man richtig liegt!)

4. Persönlicher Bezug

Der letzte Pluspunkt, den dieses Buch von mir bekommt, dreht sich um den beinahe persönlichen Bezug, den ich zu ihm entwickelt habe - und damit mein' ich prinzipiell alles, das mit dem Lesen zu tun hat. Es gab einfach insgesamt so viele Momente in denen ich mir dachte: "Jap, das tu ich auch." oder "Genau so geht's mir auch immer", dass ich echt das Gefühl hatte, als hätte mir die Autorin in die Seele geschaut und dann das Buch speziell für mich geschrieben - oder zumindest bestimmte Szenen darin. Zum Beispiel gibt es da diesen einen Moment, bevor Meggie ein Buch aufschlägt ...
"Meggie strich über den Einband, so wie sie es immer tat, bevor sie ein Buch aufschlug. Das hatte sie Mo abgeschaut. Seit sie denken konnte, erinnerte sie sich an diese Bewegung - wie er ein Buch in die Hand nahm, fast zärtlich über den Einband strich, und es dann aufschlug, so, als öffnete er eine Schachtel, die bis zum Rand mit nie gesehenen Kostbarkeiten gefüllt war." (Funke 2003, p. 532-533)
Ich muss zugeben, das mach' ich auch öfter, auch wenn's ein wenig freaky ist ...

Und dann erzählt Meggie später davon, wie schön sie es findet, Wörter auszusprechen:
"Tinker Bell. Meggie flüsterte den Namen gleich zweimal, sie hatte es immer schon geliebt, ihn auszusprechen, mit diesem kleinen Stups der Zunge gegen die Zähne und dem weichen B, das wie ein Kuss von den Lippen rutschte." (Funke 2003, p. 387)
Das trifft für mich jetzt nicht unbedingt auf Deutsch zu, aber in Bezug auf Englisch auf jeden Fall. Manchmal stimmt es mich einfach wirklich froh, englische Wörter auszusprechen - vor allem in Kombination mit Musik. Ich weiß auch nicht wirklich warum, aber manchmal find' ich's einfach schön. Wieder freaky ich weiß ...

5. Das Tempo

Schlussendlichnoch schnell zum Tempo des Buches: ich hab' viele Reviews gelesen, in denen sich Leute darüber beschweren, dass die Geschichte sich entweder zu langsam entwickelt oder auch das habdlungsmäßig einfach gar nichts passiert. Dem kann ich so nicht zustimmen, auch wenn ich mir durchaus vorstellen kann, dass für Leute, die lange Bücher nicht so gerne lesen, die Geschichte sicherlich langsam voranschreitet. Außerdem haben sie in einem Punkt schon recht: die Geschichte hätte sich definitiv kürzer auch erzählen lassen. Ich finde nur, dass dadurch ein für mich wichtiger Teil des Buches, nämlich einerseits die Vater-Tochter-Beziehung und andererseits die sprachliche Qualität, gelitten hätte. Klar, viele der Beschreibungen hätte man wegkürzen können (etwa das obige Zitat mit dem Vergleich Theater-Buch), aber ich finde, dass dadurch der Charme des Buches verloren gegangen wäre.
So, jetzt ist aber echt genug! Kurz und bündig: mir hat das Buch gefallen und ich freu' mich schon darauf den nächsten Teil zu lesen. 

Zitate

Funke, C. (2003) Tintenherz. Hamburg: Cecilie Dressler Verlag.

4 comments:

  1. Hast du das Buch jetzt zum ersten Mal gelesen? Das war die erste Triologie, bei der ich auf die Veröffentlichung des zweiten und dritten Bandes gewartet habe.

    ReplyDelete
    Replies
    1. Nope, hatte ich noch nicht :P! War auf der to-read Liste für ungefähr 7 Jahre glaub ich xD!

      Delete
    2. OMG. Hast du die anderen Teile? Wenn nicht, sie stehen bei mir. Kannst sie dir gerne ausborgen. Wobei der erste Teil, der Beste ist, meiner Meinung nach.

      Delete
    3. Hab mir den 2. aus der Bib ausgeborgt - und den 3. zu Weihnachten gewünscht ... aber ich komm drauf zurück, falls ich ihn nicht krieg ;)

      Delete